Die Zauberhenne
Der einst so ertragreiche Erzbau am Silbereck, einem Berg im Gasteiner Tal, wurde durch eine böse Zauberin zum Erliegen gebracht. Es war dies die alte Ruepbäuerin, die überall dafür bekannt war, daß sie mit bösen Geistern im Bunde stand.
Das häßliche, alte Weib hatte eine so schöne Tochter, daß alle Knappen vom Silbereck sich eifrig bemühten, ihre Gunst zu erringen. Die Ruepin aber warf alle Freier mit groben Worten zur Tür hinaus, und als auch dies nichts nützte, griff sie zu einer teuflischen List.
Sie ließ eine eiserne Henne anfertigen und eiserne Eier dazu. Dann bestrich sie das Ganze mit siedendem Pech und Schwefel und vergrub dieses seltsame Gebilde in einer Neumondnacht an einem geheimen Orte nahe dem Bergwerk.
Zur selben Stunde wich am Silbereck der Bergsegen! Die Erzadern verschwanden auf geheimnisvolle Weise, Wässer brachen in die Stollen, und die Schächte stürzten ein. Die Knappen verliefen sich, und bald stand das ganze Bergwerk öde und leer.
Damit hatte die böse Ruepin erreicht, was sie wollte! Heute deckt sie längst die Erde, doch ihr Fluch ist noch immer wirksam. Der Bergbau am Silbereck wird erst dann wieder aufblühen, sobald es einem Sonntagskind gelingt, die Henne samt den Eiern aufzufinden, oder wenn der Rost das Zaubergebilde zerfressen hat.
Quelle: Josef Brettenthaler, Das große Salzburger Sagenbuch, Krispl 1994, S. 167.